Ausgeglichen ernähren

Ein Anblick, der die Herzen aller Pferdefreunde höher schlagen lässt: Die Anmut eines stolzen, gesunden Pferdes auf der Weide in schöner Kulisse, wie sie beispielsweise im „Pferdeland“ Schleswig-Holstein oft zu finden ist.

Es ist dieses stolze, gesunde Pferd, das sich jeder Reiter wünscht. Für die Entwicklung und Haltung eines solchen Pferdes ist die Ernährung besonders wichtig. Dabei ist eine gesunde Ernährung vor allem eines: ausgeglichen! D.h. die Nährstoffe wie Fette, Proteine/Eiweiße, Stärke bzw. Kohlenhydrate und Faser-Ballaststoffe sollten dem Pferd möglichst vollständig und in einem ausgewogenen Maß zur Verfügung stehen.

Die Gewohnheiten der Pferdefütterung in Deutschland scheinen jedoch Trends zu folgen, die bisweilen auch Irrtümern unterliegen und zu einer einseitigen Pferdeernährung führen. Ein Phänomen, das sich zum Beispiel in den skandinavischen Ländern nicht in dem Maße beobachten lässt und sich vermutlich mit der Geschichte bzw. der Tradition von Pferdehaltung und -fütterung in Deutschland begründet.

In der ursprünglichen Pferdehaltung in Deutschland war das Pferd ein Nutz- und Arbeitstier. Es musste im Vergleich zum heutigen Freizeitpferd deutlich mehr arbeiten und hatte zudem weniger Zeit für die Futteraufnahme.

Entsprechend hoch war der Getreideanteil (vor allem Hafer) in der Futterration. In Ruhephasen wurde das Pferd eher robust gehalten und mit vergleichsweise viel strukturreichem Grundfutter (Heu und Stroh) ernährt. Die Futterration war durch das Getreide reich an Energie aus Kohlenhydraten, die das Pferd wegen der hohen Arbeitsleistung auch benötigte.

Die ersten Freizeitpferde wurden dann vor allem mit Kraftfutterpellets gefüttert. Offenbar genossen die Futterpellets keine große Sympathie bei den Freizeitpferdehaltern, da man nicht erkennen konnte, ob die enthaltenen Bestandteile von guter Qualität waren. Obwohl heutzutage sehr hochwertige Pferdepellets auf dem Markt sind, hat die Pelletfütterung noch immer eher den Ruf, ein „billiger“ Weg der Pferdeernährung zu sein.

Dieser Hintergrund bietet auch eine Erklärung für den durchschlagenden Erfolg der später aufkommenden Müslifütterung.
Müslis genießen hohes Vertrauen, da man die einzelnen Bestandteile erkennen kann. Zudem gelten die Müslis durch deren hohen Anteil an thermisch aufgeschlossenen Getreideflocken als verdaulicher bzw. bekömmlicher für das Pferd. Somit ergab sich ein starker Trend zur Müslifütterung bei Freizeitpferden.

Dieser Trend führte jedoch zu einer gewissen Einseitigkeit der Pferdeernährung, denn die Müslis der ersten Generation enthielten in der Regel ausgesprochen hohe Anteile an Getreide bzw. Getreideflocken (insbes. Maisflocken) bei gleichzeitig niedrigen Fett- und Fasergehalten. Die Müsligaben waren groß und die Futterrationen wurden dadurch sehr stärke- bzw. kohlenhydratlastig. Anders ausgedrückt, waren die ersten Futterrationen mit Müslis Diäten für echte Leistungssportler! Die Leistung bzw. die Arbeit des Freizeitpferdes ist jedoch mit der Umstellung auf Müslifütterung nicht unbedingt erhöht worden.

Diese „Überfütterung“ der Freizeitpferde ebnete Krankheiten wie dem Equinen Metabolischen Syndrom (EMS), dem Equinen Cushing Syndrom, der Hufrehe oder der Polysaccharid-Speicher-Myopathie (PSSM) den Weg.

Da diese Krankheiten bei Freizeitpferden inzwischen sehr verbreitet sind, werden sie auch als Zivilisationskrankheiten bezeichnet.

Unlängst hat es sich herumgesprochen, dass wohl in der Stärke und damit im Getreide eine Ursache bzw. eine verstärkende Wirkung für diese Krankheiten liegt. Aus der Sorge um die Gesundheit hat sich bei vielen Pferdehaltern eine regelrechte Getreidephobie entwickelt.

Damit erklärt sich vermutlich auch der gegenwärtige Trend zur getreidefreien Pferdefütterung. Diese Verurteilung des Getreides unterliegt jedoch einem Irrtum. Denn nicht das Getreide verursacht die Krankheiten; vielmehr liegt der eigentliche Grund in der Überdosierung des Getreides in der Futterration des im Durchschnitt wenig arbeitenden Freizeitpferdes. Die Umstellung des gesunden Pferdes auf eine gänzlich getreidefreie Diät gleicht somit dem Ausschütten des Bades mit dem Kinde.

Eine Ausnahme bilden übergewichtige Pferde bzw. Pferde, die an den genannten stoffwechselbedingten Zivilisationskrankheiten leiden. In diesen Fällen unterstützt eine vorübergehende getreidefreie Diät die Genesung.

Die Pferdemüslis der neuen Generation sind wesentlich vielfältiger zusammengesetzt. Neben einem geringeren Flockenanteil enthalten sie in der Regel zusätzliche Bestandteile wie beispielsweise Apfeltrester, Leinsaat, Luzernehäcksel, Sojabohnen und Pflanzenöle. Damit bieten moderne Müslis eine ausgewogenere Nährstoffversorgung. Zudem ist die Nährstoffdichte von Müslis sehr hoch, wodurch die Futtergaben kleiner ausfallen.

Kleine, konzentrierte Kraftfuttergaben unterstützen eine artgerechte Fütterung des Pferdes, denn damit bleibt der Hunger auf das strukturreiche Grundfutter groß.

Zum ausgewogenen Müsli ist das Grundfutter unbedingt zur freien Verfügung anzubieten. Als ursprüngliches Steppentier ist das Pferd dringend auf die Faser-Ballaststoffe aus hochwertigem Grundfutter angewiesen.

Die modernen Müslis vereinfachen auch eine leistungsgerechte Ernährung, denn bei steigender Arbeitsleistung ist die Müsligabe einfach etwas zu erhöhen. Zudem ermöglichen es Müslis, auch schwerfutterige oder ältere Pferde schonend mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen.

Das Pferd dankt seinem Halter einen ausgeglichenen Ernährungsansatz mit Vitalität und Reitsportfreude. Ein Ansporn für jeden Pferdehalter, der Pferdeernährung und Fütterung eine hohe Aufmerksamkeit zu widmen.

Die wichtigen Nährstoffe:

Fette
Fette kommen vor allem aus den Pflanzenölen wie beispielsweise Raps-, Lein- oder Sojaöl. Die Fette sind ein konzentrierter Energielieferant. Somit kann durch Fette der Anteil von Stärke bzw. Kohlenhydraten in der Futterration reduziert werden, ohne die Energiezufuhr dabei zu verringern.  Fette werden lediglich in kleinen Mengen gefüttert (<5% der Gesamtration).
Die Pflanzenöle enthalten viele ungesättigte Fettsäuren, die wichtig für den Körper sind. Fettreiche Futter werden tendenziell langsamer gefressen.

Stärke / Kohlenhydrate
Die Kohlenhydrate sind in den Pferdfuttermitteln der wesentliche Energielieferant. Der Hauptteil der Kohlenhydrate besteht aus Stärke (Mehrfachzuckern). Kohlenhydrate sind vor allem im Getreide enthalten. Die Verdaulichkeit der Kohlenhydrate im Getreide verbessert sich durch thermischen Aufschluss (Getreideflocken).

Proteine/Eiweiße
Die Proteine (Eiweiße) bestehen aus Aminosäuren, welche die Baustoffe des Körpers sind. Damit begründet sich auch, warum Aufbaufutter in der Regel überdurchschnittlich viel Protein enthalten. Auch Seniorpferde, die altersbedingt Körpergewicht verlieren, sollten Futterrationen mit mehr Protein erhalten.

Faser-Ballaststoffe
Als ursprüngliches Steppentier hat das Pferd einen hohen Bedarf an strukturreichen Faser-Ballaststoffen. Wesentlicher Faser-Ballaststoffträger ist das Grundfutter: Ein Pferd sollte etwa mindestens 0,5 kg Raufutter je 100 kg Körpergewicht aufnehmen. Ein Mangel an Faser-Ballaststoffen kann zu Magengeschwüren bzw. durch ungenügende Kautätigkeit zu Hakenbildungen an den Backenzähnen und damit auch zu einem höheren Risiko an Schlundverstopfungen führen. Weiterhin schwächt ein Mangel an strukturreicher Faser die Aktivität der Darmbakterien, das Ursache für geringe Fresslust und Durchfall sein kann.

Ein Artikel von Peter Plambeck

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